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Bond Girls und die Wissenschaft (3/3)

Das Bond Girl und seine Rolle als Wissenschaftlerin

Genügte das „grandiose Allgemeinwissen“ James Bonds in den ersten zehn Filmen vollkommen zur Lösung der Fälle, gerät er im elften Film Moonraker in Situationen, in denen er zusätzlicher Expertise bedarf. Auch Bonds Welt wird komplexer, und er stößt immer wieder an die Grenzen seines Wissens. Hilfe naht nun von weiblicher Seite. In den letzten zehn Filmen (1979 – 2002) trifft James Bond auf neun Wissenschaftlerinnen und zwei Wissenschaftler, die auf der Seite der „Guten“ stehen, und auf sieben „böse“ Wissenschaftler (im Gegensatz zu insgesamt zehn „bösen“ Wissenschaftlern in den 10 Filmen von 1962–1977). Dabei ergibt sich die deutlichste Steigerung in den 90er Jahren, in denen sechs Wissenschaftlerinnen und sieben Wissenschaftler in vier Filmen zu sehen sind.

Warum „mutierte“ ausgerechnet das Bond Girl zur Wissenschaftlerin? James Bond als der unbestrittenen Hauptfigur steht seit jeher eine Reihe unterstützender Nebenfiguren beiseite. Ein zusätzlicher Kopf an seiner Seite hätte die Handlung möglicherweise unübersichtlich gemacht. Allerdings hätte auch der neu eingeführte CIA-Agent Felix Leiter, der dem amerikanischen Publikum als nationale Identifikationsfigur dienen soll, die Rolle des Wissenschaftlers übernehmen können. Daraus, dass dies nicht geschah, sondern ausgerechnet dem Bond Girl wissenschaftliche Weihen zukamen, lassen sich Rückschlüsse auf den wachsenden Stellenwert von Wissenschaft im James-Bond-Film ziehen. Denn die Stellung des „Bond-Girls“ ist für die Handlung von sehr viel größerer Bedeutung als der Part Felix Leiters.

Nach Bennett und Woollacott ist das Bond Girl als wichtigste Nebenfigur zugleich „Objekt“ des „The Look“-Effekts, mit dem sich die „voyeuristic free male sexuality“ Bonds ausdrückt. Der (männliche) Zuschauer identifiziert sich mit der Art, in der Bond die Frau betrachtet. Er teilt seinen „Look“ auf die Frauen und seine Begierden. Diese spezielle Form, die Frau als „Objekt der Begierde“ durch die Kamera zu betrachten, ist in den James-Bond-Filmen besonders ausgeprägt. Das „Bond-Girl“ wird so zu einem besonderen Identifikations-Objekt der Filmreihe und nimmt neben Bond eine zentrale Rolle ein. Dadurch rücken auch seine wissenschaftlichen Aktivitäten eher in den Blickpunkt als vergleichbare Handlungen einer anderen Nebenrolle.

Das Bild der Bond Girls wandelt sich allerdings nicht nur auf der Ebene seiner wissenschaftlichen Ausbildung. Sie werden zu echten Gehilfinnen und übernehmen Aufgaben, denen Bond selbst nicht gewachsen ist. So steuert Dr. Holly Goodhead die Raumfähre (All-Taxlerin) hinaus zu Drax’ getarnter Raumstation und hilft am Ende, die Globen mit dem Nervengift zu zerstören. Ohne Stacy Suttons’ Expertise zu der Vorgehensweisen auf der Bohrplattform von Max Zorin und ihre geologischen Kenntnisse der Region wäre Bond auch in A View To A Kill (1985) sicherlich nicht als Sieger aus dem Wettkampf hervorgegangen. Was sich allerdings nicht ändert, ist das Erscheinungsbild der „Bond-Girls“. Ob Wissenschaftlerin oder nicht, wichtig ist leichte figurbetonte Bekleidung, die mit der Atomwissenschaftlerin Dr. Christmas Jones (Denise Richards) in The World Is Not Enough (1999) wohl ihren Höhepunkt erreicht.

Wissenschaft im Film und der Informationsbedarf der Öffentlichkeit

Der Spielfilm ist kein Spiegel der Realität. Er nimmt reale Ereignisse zum Anlass, Geschichten zu erzählen – fiktive Geschichten. Doch die Untersuchung von James-Bond-Filmen zeigt zwei Dinge. Erstens spielen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen eine zunehmend wichtige Rolle. Zweitens wird wissenschaftliches Wissen für James Bond immer wichtiger, um Probleme zu lösen.

Die reale Verwissenschaftlichung der Gesellschaft hat auch im James-Bond-Film Spuren hinterlassen. Bisher ist das Thema „Wissenschaft im Spielfilm“ allerdings nur sehr rudimentär untersucht worden. Dies sollte sich ändern, denn der Spielfilm prägt als Massenmedium das Bild der vom „Elfenbeinturm“ relativ weit entfernten Öffentlichkeit über Wissenschaft, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit – nicht zuletzt, damit es niemanden wundert, wenn das öffentliche Bild vom Wissenschaftler in Richtung des „Nutty Professor“ (Jerry Lewis 1963) oder von Dr. Christmas Jones geht.

Im Original erschienen in „Forschung an der Universität Bielefeld 27/2004

Berichterstattung der Arbeit

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